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Spandöschen
Spandöschen, © Stadtmuseum Dornbirn
Spandöschen
Spandöschen, © Stadtmuseum Dornbirn

Das Spandöschen

Das Spandöschen

Stellen Sie sich vor, in Ihrem Familienfundus taucht eine kleine Spanschachtel auf, handbemalt mit einem rot-weißen Folkloremuster. Sie wissen, dieser Gegenstand stammt ursprünglich von Ihrem Großvater. Er hat diese Schachtel 1936 für seine damaligen Verlobte und spätere Ehefrau, Ihre Großmutter, selbst gestaltet, das Jahr ist am Deckel vermerkt.

Die Holzdose war ursprünglich die Verpackung für ein kleines, persönliches Schmuckstück, das er Ihrer Großmutter schenkte.

Die Handarbeit ist hübsch und sie ist für Sie eine schöne Erinnerung an die Liebesgeschichte der Großeltern, die in der Familienüberlieferung immer als besonders harmonisch und innig beschrieben wurde. Das Döschen erinnert Sie aber auch an den traurigen Verlauf dieser Liebesgeschichte, die 1945 nach wenigen Ehejahren und mehreren Kindern in den letzten Kriegstagen durch den Tod des Großvaters endete.

So ein Erinnerungsgegenstand wird in Familien natürlich aufbewahrt und sorgsam behandelt.

 

Sie müssen allerdings bei genauer Betrachtung feststellen, dass der Gegenstand durch die Bemalung einige Informationen, aber auch Fragen transportiert, die Ihnen bisher entgangen sind bzw. die Ihnen nicht bewusst waren: Am Deckel sind kleine Hakenkreuze!

Mit dieser Entdeckung bleibt das Döschen nicht mehr ganz so „harmlos“, es trägt ein verbotenes Zeichen. Was tun?

Die Zeichen ignorieren? Das ist Ihre Entscheidung, geht natürlich. Aber wer will schon ein Hakenkreuzdöschen in der Vitrine oder als Schmuckaufbewahrung weiter nutzen?

Den Gegenstand entsorgen oder vernichten? Geht auch, aber das kleine Ding ist ja emotional positiv aufgeladen – schließlich war es ein Zeichen der Zuneigung. Aber ist es überhaupt legitim Gegenstände mit NS-Symbolik weiterhin aufzubewahren?

Fragen über Fragen bei einem so privaten und unscheinbaren Gegenstand.

 

Ihre Großeltern waren Anhänger der Nationalsozialisten, das wussten Sie bereits, das wurde in der Familie auch nie verschwiegen. Auch nicht, dass beide bereits vor dem Anschluss Österreichs an NS-Deutschland mit Begeisterung über die Grenze blicken. Die Verwendung des Hakenkreuzes auf einen so privaten Gegenstand erzählt aber mehr: Ihre Großeltern hofften auf eine glorreiche Zukunft im NS-Staat: Sie teilten ihre Weltanschauung – sie war ein wichtiges Band zwischen ihnen.

Aber waren sie nur Schwärmer oder bereits Jahre vor dem Anschluss Mitglieder der illegalen NSDAP? Waren beide überhaupt jemals Parteimitglieder oder „nur“ Teil untergeordneter NS-Organisationen? Hatten sie vielleicht sogar eine Funktion? Waren Sie „überzeugte“ und „fanatische“ Nationalsozialisten oder angepasste Mitläufer?  Oder entwickelten sie sich im Laufe des Krieges sogar zu Regimekritikern? Wer waren Ihre Großeltern zwischen 1938 und 1945?

Gibt es darauf überhaupt Antworten? Und sind sie für Sie überhaupt noch relevant im Hier und Heute?

Falls Sie Antworten suchen, gibt es folgende Möglichkeiten: Mit Fragen nach Motivation und Gefühlen der Vorfahren können Sie sich innerfamiliär auf den Weg machen. Was die Fragen nach den Facts betrifft, gibt es allerdings Hilfestellung von außen.

Das Stadtmuseum plant ab November 2023 eine Ausstellung zum Erbe des Nationalsozialismus in Dornbirn. Im Vorfeld dieser Ausstellung werden auch private Objekte und die zugehörigen Geschichten aus dem Familienerbe gesammelt und offene Fragen zu Familienangehörigen beantwortet.

Besitzen Sie Erbstücke aus der NS-Zeit?
Fragen Sie sich, wohin damit?
Haben Sie offene Fragen zur Geschichte von Familienangehörigen im Nationalsozialismus?

Wir interessieren uns dafür und recherchieren mit Ihnen.

Bürozeiten: Freitag 10:00 bis 12:00 Uhr
Wir bitten um Voranmeldung beim Stadtmuseum Dornbirn

Stadtmuseum Dornbirn
T +43 5572 306 4911
Marktplatz 11, 6850 Dornbirn
stadtmuseum​(at)​dornbirn.at

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