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Fotomontage eines Briefumschlags von Edmund Kalb an seinen Vater, 24. August 1944
Fotomontage eines Briefumschlags von Edmund Kalb an seinen Vater, 24. August 1944, © Stadtmuseum Dornbirn
Fotomontage eines Briefumschlags von Edmund Kalb an seinen Vater, 24. August 1944
Fotomontage eines Briefumschlags von Edmund Kalb an seinen Vater, 24. August 1944, © Stadtmuseum Dornbirn

Sammelaufruf

Sammelaufruf

Besitzen Sie Erbstücke aus der NS-Zeit? Fragen Sie sich, wohin damit? Haben Sie offene Fragen zur Geschichte von Familienangehörigen im Nationalsozialismus? Wir interessieren uns dafür und recherchieren mit Ihnen. Nur noch bis Ende Mai 2023. Bürozeiten: Freitag 10:00 bis 12:00 Uhr. Wir bitten um Voranmeldung beim Stadtmuseum Dornbirn unter T +43 5572 306 4911 oder stadtmuseum@dornbirn.at

Störendes Familienerbe

Der:die durchschnittliche Europäer:in besitzt angeblich 10.000 Gegenstände. Zumindest wenn man einer unbelegten Behauptung glaubt, die sich seit vielen Jahren beharrlich in Zeitungsartikeln und Blogposts hält. Zwar gibt es keine offizielle Statistik, aber ein kursorischer Blick auf Wandregale, Schränke und in einige Schubladen nährt die Vermutung, dass die Größenordnung stimmen könnte. Bei vielen Objekten, die ein Mensch in seinem Leben ansammelt, handelt es sich um profane Alltagsgegenstände: Küchenutensilien, Kleidung, Sportausrüstung, Behältnisse, Schriftstücke. Manche lassen sich mit speziellen Lebensereignissen verbinden, etwa eine Geburtsurkunde, ein Hochzeitsgeschenk oder ein Familienporträt.

Andere wiederum sind Erbstücke und stammen aus dem Besitz von Angehörigen. Manche dieser Erbstücke werden wegen ihres materiellen oder sentimentalen Werts aufbewahrt, bei anderen handelt es sich um Überbleibsel früherer Hausbewohner:innen. Nicht selten sind derartige geerbte Objekte mit ambivalenten Erinnerungen und Gefühlen verbunden. Oft werden sie auch als störende Belastung empfunden – oft im Wortsinn, weil sie Platz in Kellern und Schränken wegnehmen. Vielfach werfen sie Fragen auf, nach ihrem Zweck und ihrer Bedeutung oder nach dem Grund, weshalb sie sich überhaupt im Familienbesitz befinden. Gerade bei Gegenständen, die NS-Symbolik beinhalten, stellt sich auch die Frage nach dem weiteren Umgang mit diesen: Ist es überhaupt legitim, diese Gegenstände weiterhin aufzubewahren? Sollen sie versteckt bleiben oder besser doch entsorgt werden? Handelt es sich um bedeutende Zeitdokumente oder gar nur um NS-Devotionalien?

Nationalsozialismus im Museum „entsorgen“?

Zu den Kernaufgaben eines Museums gehören das Sammeln, Bewahren, Erforschen und Ausstellen des materiellen und immateriellen Erbes. Was dieses Erbe alles umfasst – anders gesagt: was wirklich aufbewahrt und ausgestellt werden soll – ist eine offene Diskussion, der sich das Stadtmuseum anhand der Dornbirner Lokalgeschichte des Nationalsozialismus stellt. Das „Büro für schweres Erbe“ ist nicht nur ein Angebot an alle Stadtbewohner:innen, die „belastende“ Objekte aus der NS-Zeit besitzen und diese loswerden wollen, sondern macht auch den Prozess der Sammlung und Dokumentation von Museumsobjekten transparent. Gemeinsam mit der Stadtbevölkerung erforschen und dokumentieren wir Zweck und Bedeutung dieser Gegenstände und halten die Erinnerungen und Erzählungen fest, die mit ihnen verbunden werden.

Unscheinbares Erbe

Dass NS-Erbe auch unscheinbar sein kann, zeigt ein Briefumschlag aus der Sammlung des Stadtmuseums. Es handelt sich um ein Einschreiben, das der Dornbirner Künstler Edmund Kalb im August 1944 an seinen Vater sandte. Briefumschläge sind klassische Ephemera. „Einweggegenstände“, die ihre eigentliche Funktion nach Erhalt der Sendung verlieren, aber oftmals eine neue Funktion – und ein langes Leben – als Aufbewahrungshülle oder Notizblatt erhalten. In diesem Fall machen Datumsstempel, dutzende Hitler-Briefmarken der Deutschen Reichspost und die Ortsangabe, die Dornbirn in der „Ostmark“ lokalisiert, den Umschlag auch zum Zeugnis der NS-Zeit.

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